Liegen

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Kranke oder verletzte Menschen kurieren sich heute meist im Bett aus – ob zu Hause, wenn sie eine Grippe haben, oder im Krankenhaus nach einer Operation. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit sind Hospitäler jedoch weniger für kranke, sondern vielmehr für alte und arme Menschen gedacht. Auch ein eigenes Bett ist nicht selbstverständlich: Die Menschen teilen sich häufig ein einfaches Holzbett oder liegen halb aufrecht auf Laubsäcken. Erst mit der Aufklärung setzt ein Wandel ein und das Ideal vom gesunden Schlaf setzt sich durch. Ärzte weisen ihren Patienten ein eigenes Krankenhausbett zu und verschreiben Liegekuren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehren sich jedoch auch kritische Stimmen: Sie weisen darauf hin, dass das Liegen in vielen Fällen keine positiven Auswirkungen auf die Genesung hat und problematisieren damit die strikte Bettruhe.

Von der Holzkiste zum Metallgestell

Das Bett – ein zentraler Ort des Krankenhauses: Die Patienten liegen in ihren Betten. Ärztinnen und Pflegefachpersonen behandeln die Erkrankten auch dort. Jahrhundertelang haben sich die Menschen jedoch nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause in kistenartigen Holzbetten auskuriert. Erst im 19. Jahrhundert entsteht die moderne Klinik als Heilstätte. Damit einher geht die Entwicklung eines speziellen Krankenhausbettes. Verstärkte Hygienemassnahmen und neue Herstellungsverfahren begünstigen die Etablierung neuer Metallmöbel. Diese gelten bald als Zeichen des Fortschritts.

hygienisch – rollbar – gut

Um 1900 stehen die industriell hergestellten Betten aus Metall bereits in jedem Krankenhaus. Sie lassen sich leicht reinigen und entsprechen deshalb den hygienischen Standards. Dank Rollen sind sie ausserdem mobil. Ein Fussbrett verhindert, dass der Patient aus dem Bett rutscht. Das Pflegepersonal kann mit einer verstellbareren Rückenlehne die Position der Patientin verändern. Zunächst produzieren verschiedene Hersteller unterschiedliche Betten. Um den Unterhalt effizienter und kostengünstiger zu gestalten, bemühen sich die Krankenhäuser ab 1920, das Mobiliar zu normieren.

Betten für alle Fälle

Der Katalog der Berner Firma Schaerer AG von 1927 zeigt interessante Spezialanfertigungen. Die Krankenhausbetten spiegeln bereits im frühen 20. Jahrhundert die zunehmende Spezialisierung der Medizin wider. Ein Bett für Gebärende lässt sich in der Mitte teilen und ist mit Fusshalterungen ausgestattet. In ein Bett für stark geschwächte und gelähmte Patienten ist ein Nachttopf integriert. Zur Kontrolle von Patientinnen dienen die Betten in der Psychiatrie: Aus der beworbenen «Schutzbettstelle für Tobsüchtige» ist kein Entweichen möglich.

Komfortable Maschinen

In der zweiten Hälfte des 20. Jhs. werden die Betten immer mobiler und entwickeln sich zu multifunktionalen Maschinen. Sie lassen sich selbstverständlich auf Rollen durch die Gänge schieben, sind stufenlos verstellbar, funktionieren mit wasserdichten Motoren und sind mit Unterhaltungssystemen ausgerüstet. Auch das Design und der Komfort geraten zunehmend in den Fokus – die Betten sollen nicht nur funktionieren, sondern auch zu einer angenehmen Atmosphäre beitragen.

Vom Bett über das Zimmer zum Gebäude

Im Zentrum einer jeden Spitalplanung steht nicht etwa der OP-Saal, sondern das Bett: Das moderne Krankenhausbett prägt nicht nur die Beziehung zwischen Pflegenden, Patienten und Ärztinnen, sondern seine Grösse und Konstruktion bestimmen auch die Handlungsabläufe. Somit wirken sich die Masse des Bettes direkt auf die Planung von Krankenhäusern aus. Architekten orientieren sich seit dem späten 19. Jahrhundert und bis heute beim Entwurf der Flure, der Zimmer oder der Fahrstühle an den Massen der Betten. Sie bauen das Krankenhaus also buchstäblich um die Betten herum.

Berner Betten und Gebäude

Beim Neubau des Inselspitals (1881-1884) auf der Kreuzmatte ist das Bett bereits eine zentrale Grösse. Die Planer erhöhen den Raum pro Bett von 6 auf 8,5 Quadratmeter. Auch bei den folgenden Bauten, wie im Fall der Chirurgischen Klinik oder des Lory-Spitals, berücksichtigen die Architekten die Masse der Betten, um Zimmer und Wege sinnvoll anzuordnen.

Das Bettenhochhaus – reibungslose Abläufe

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts genügen die bestehenden Räumlichkeiten des Inselspitals nicht mehr. Beim Bau des Bettenhochhauses (1965-1970) orientieren sich die Planer an den neuesten Entwicklungen des Krankenhausbaus und bauen in die Höhe. So haben auf kleiner Grundfläche mehr als 700 Betten Platz. Auf diese Weise sind kurze Wege garantiert. Vor der Fertigstellung überprüft das medizinische Personal in einem Mustergeschoss, ob alle Abläufe reibungslos funktionieren. Für das markante Gebäude entwickelt eine Arbeitsgruppe sogar ein neues Bett: Zusammen mit der Firma Bigla entwerfen Pflegefachfrauen sowie Betriebs- und Bauingenieure ein Modell, das auf die Bedürfnisse des Inselspitals zugeschnitten ist.

Patientenwege

In den letzten Jahrzehnten werden nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen ambulante Behandlungen gefördert. Seit den 1970er-Jahren verkürzt sich deshalb die Liegezeit. Die Zahl der Betten sinkt, während die Nachfrage nach Einzel- und Zweierzimmern steigt. Das Patientenbett bleibt jedoch ein wichtiger Teil der Planung – auch beim aktuellen Neubau des Hauptgebäudes (2019-2023). Die Architektinnen beziehen in enger Absprache mit medizinischen Fachleuten die Zahl und Grösse der Betten in ihre Entwürfe ein und streben kurze Wege für stationäre Patienten an. Das neue Spital soll möglichst effizient und damit kostengünstig betrieben werden.

Raus aus dem Bett!

Um 1900 verbringen Patienten im Inselspital durchschnittlich bis zu 45 Tage im Bett. Diese langen Liegezeiten belasten manche Patientinnen sowohl geistig als auch körperlich. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergreift das Spital deshalb verstärkt Massnahmen, um die Patientinnen zu mobilisieren. Sie sollen Abwechslung im Krankenalltag erfahren und durch gezielte Bewegung schneller gesund werden.

Bewegung im Liegen

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts suchen Krankenhäuser nach Möglichkeiten, die Patienten zu beschäftigen und gleichzeitig deren «Arbeitswillen» zu erhalten. Dazu importiert das Inselspital in den 1950er-Jahren Webstühle aus England. Sie sind für die Arbeit im Bett konstruiert und lassen sich mit vier langen Schnüren am Bettrahmen befestigen. Aus solchen Beschäftigungs- und Arbeitstherapien entwickelt sich die heutige Ergotherapie. Sie zielt nicht nur auf die Beschäftigung der Patienten ab, sondern auf die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit.

Am Rad drehen?

Die Chirurgische Universitätsklinik in Bern verfügt bereits 1931 über ein kleines «mechano- und physiotherapeutisches Institut». Hier unterstützen Patienten ihre Genesung durch Übungen. Zwei Jahre später stellt das Inselspital erstmals eine Heilgymnastin ein, die im Kinder- und Lory-Spital arbeitet. In der Medizinischen Klinik steht zudem seit 1937 ein Schwimmbecken für die Hydrotherapie bereit. Seit den 1950er-Jahren setzt das Inselspital verstärkt auf gezielte Rehabilitation mit Hilfsmitteln. Ein mächtiges Physiotherapierad dient noch in den 1980er-Jahren als Therapiegerät für die Arme.

Liegen: kopfüber – kopfunter

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein sitzen Patienten bei einer Operation auf einem Stuhl oder liegen in einem gewöhnlichen Bett. Steht ein komplizierter Eingriff an, der eine besondere Körperhaltung verlangt, helfen Assistenten, indem sie beispielsweise das Becken anheben. Chirurgische Neuerungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts wirken sich auch auf das Material und die Konstruktion der OP-Tische aus. Erstmals sind sie nicht mehr aus Holz, sondern aus Metall. Dies ist ein Vorteil, weil sich Metall leicht reinigen lässt. Allmählich setzen sich auch bewegliche Spezialtische durch. Sie erleichtern den Chirurgen das kontrollierte Operieren.

Eine Innovation aus Bern

1912 konstruiert der Berner Chirurg Fritz de Quervain gemeinsam mit der Schaerer AG den «Universal-Operationstisch». Dieser bietet zahlreiche Vorteile: Patientinnen liegen bequem, Chirurgen erreichen mühelos alle Körperteile und das Metall lässt sich leicht von Keimen reinigen. Der OP-Tisch entwickelt sich zum internationalen Beststeller und ist der Ausgangspunkt einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem Inselspital und der Schaerer AG.

Tischevolutionen

Der OP-Tisch nach de Quervain ist für die Schaerer AG nur der Ausgangspunkt: 1957 kommt der X-Ray-Nova-Tisch auf den Markt. Seine strahlendurchlässige Liegefläche erlaubt das Röntgen der Patientin während einer Operation. 1973 folgt der Schaerer S-200-OP-Tisch. Hier ist die Teleskopsäule erstmals nicht mehr zentral, sondern exzentrisch angebracht, damit die Chirurginnen und das Pflegepersonal möglichst grosse Bewegungsfreiheit haben. Bis heute ist die Flexibilität von OP-Tischen ein zentrales Konstruktionskriterium.

Von Röhren und Badewannen

Die Medizin erfährt im 20. Jahrhundert eine starke Technisierung. Eine Vielzahl von Instrumenten und Geräten wird für verschiedene Therapien und die Diagnostik entwickelt. Das hat Folgen für die Patientinnen: Sie sind nun häufiger von grossen und komplexen Maschinen umgeben. In den 1940er-Jahren werden sie in eisernen Röhren beatmet, seit den 1980er-Jahren liegen sie in engen MRI-Geräten oder für die Nierensteinbehandlung in einer grossen Badewanne. Die Apparatemedizin eröffnet neue Möglichkeiten, steht aber auch in der Kritik: Sie gilt als teuer und als Inbegriff einer technischen und unpersönlichen Medizin.

Wie ein Stahlsarg Leben rettet

Die «Eiserne Lunge» ist eine medizinische Sensation: Das erste mechanische Beatmungsgerät kommt ab 1930 vor allem bei «Polio»-Patienten zum Einsatz. Der Patient liegt dabei bis zum Hals in einer Metallröhre. Der Kopf befindet sich ausserhalb des Geräts und ein Schaumstoffring umschliesst den Hals. So gelangt keine Luft von aussen in das Gerät. Die Hydraulik der Maschine erzeugt nun in der Kammer abwechslungsweise einen Über- und einen Unterdruck, sodass Luft durch Nase und Mund des Patienten aus- und einströmt. Als sich in den 1960er-Jahren die Überdruckbeatmung mit Intubation durchsetzt, verlieren die Geräte an Bedeutung.

Schockwellen gegen Steine – die teure Wundermaschine

Bis in die 1980er-Jahre hinein müssen Chirurgen für die Entfernung von Nieren- und Blasensteinen zum Messer greifen. 1985 nimmt das Inselspital den ersten Nierensteinzertrümmerer in Betrieb. Das riesige Gerät behandelt Nierensteine ganz unblutig: Ein Kran hebt den Patienten in eine grosse, mit Wasser gefüllte Wanne. Das Personal ortet mit Röntgengeräten den Stein, bevor es Stosswellen abfeuert. Diese Impulse zertrümmern ihn. Das Gerät wird als Wunder der Technik und als Mittel zur Kostensenkung gefeiert.

Sonne, Luft und Liegestühle

Bereits in der Antike schreiben Ärzte Licht und Luft eine zentrale Bedeutung für die individuelle Gesundheit zu. Doch erst mit der Aufklärung etabliert sich die Vorstellung der gesunden Bergluft. Im 19. Jahrhundert pilgern zunächst die Besserverdienenden zur Behandlung der Tuberkulose in die Schweizer Berge, dann erhalten auch ärmere Bevölkerungsschichten in «Volkssanatorien» wie der Bernischen Heilstätte Heiligenschwendi Zugang zu Liegekuren. Auch das wärmende Sonnenlicht erfährt mit der Lebensreform-Bewegung eine Aufwertung. Es gilt als gesundheitsfördernd, sodass Ärzte auch bei der Behandlung von Tuberkulose darauf zurückgreifen.

Auf dem Sonnendeck

Sowohl die Chirurgische Universitätsklinik wie auch das Lory-Spital verfügen über mehrere Sonnenterrassen. Dort sonnen sich die Patienten bei schönem Wetter und geniessen die Freiluftbehandlung. Das Liegen in der Stadtberner Sonne ersetzt jedoch vor allem für Tuberkulosekranke nicht den Aufenthalt in Kliniken. Die Ärzte verweisen ihre Patientinnen ins Tuberkulosesanatorium Heiligenschwendi oder nach Leysin, Montana und Davos.

Künstliche Sonnen

Im ausgehenden 19. Jahrhundert beschreiben sowohl Naturheilkundler als auch Ärzte das Sonnenlicht als gesundheitsfördernd. Im frühen 20. Jahrhundert werden künstliche Höhensonnen und Lichtduschen zu beliebten Konsumgütern. Sie ermöglichen im nebligen Flachland eine Ganzkörper-Sonnentherapie. Bei der Sonnen-Euphorie gehen die Gefahren dieser Therapie zunächst vergessen: Erst allmählich geraten die Sonnenstrahlen in Verdacht, Hautkrebs zu erzeugen. Die positive Bewertung des Sonnenlichts hält sich jedoch hartnäckig. Viele Menschen halten gebräunte Haut bis heute für ein Zeichen der Gesundheit.

Auswahlbibliografie

  • Karrer, Tanya, Pascal Zehnder (2014): Vom Operationsstress zum Vibrationsbad – der klinische Alltag schreibt Medizingeschichte, in: Schweizerische Ärztezeitung 96/50, S. 1925-1927.

  • Keil, Maria (2016): Über eiserne Bettstätten: Zur Geschichte des Krankenhausbettes (1700-1900), in: Gunnar Stollberg et al. (Hg.): Patientengeschichte in Hospital, Heilstätte und Krankenhaus, Berlin, S. 542-552.

  • Hasler, Véronique (2019): Drehpunkte: 100 Jahre PhysioSwiss, Sursee.

  • Ingold, Niklaus (2015) Lichtduschen: Geschichte Einer Gesundheitstechnik, 1890-1975, Zürich.

  • Monet, Jacques (2009): La naissance de la kinésiothérapie (1847-1914), Paris.

  • Stämpfli, Stefan Andreas (2011): Prof. Fritz de Quervains Beitrag zur Entwicklung des Operationstisches 1900-1940: Auswertung des Fotoarchivs der Firma Schaerer AG Bern, (Diss. med. dent.), Bern.

  • Welti, Sabine (1997): Massage und Heilgymnastik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Zur Professionalisierung der Physiotherapie, Wabern.

  • Williams, Gareth (2013): Paralysed with Fear: the Story of Polio, London.